Ein Mäuse-Embryo. (Symbolbild)
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Ein Mäuse-Embryo. (Symbolbild)

Wichtiges Thema für die Raumfahrt

Forscher züchten erstmals Maus-Embryonen im Weltall – Ist Fortpflanzung in der Schwerelosigkeit möglich?

  • Tanja Banner
    VonTanja Banner
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Der Mensch drängt ins Weltall, doch wichtige Themenbereiche sind kaum erforscht. Bei der Fortpflanzung in der Schwerelosigkeit fängt die Wissenschaft gerade erst an.

München – Auf der Internationalen Raumstation ISS arbeiten die Astronauten häufig an medizinischen Experimenten. Eines der Experimente könnte für die Zukunft der Raumfahrt eine besonders wichtige Rolle spielen: Auf der ISS wurden erstmals Maus-Embryonen gezüchtet.

Die Forschung an Bord der Raumstation fand bereits im Sommer 2021 statt, doch erst jetzt wurden die Ergebnisse in einer Studie im Fachjournal iScience veröffentlicht. Die Forscher, deren Experiment im August 2021 an Bord einer SpaceX-Rakete zur ISS transportiert wurde, hatten auf der Erde Mäuse-Embryonen befruchtet und sie bis zum Zweizellstadium entwickelt. Dann froren sie die Embryonen ein und schickten sie zur ISS. Dort ging die Forschung weiter: Die Astronauten an Bord tauten die Maus-Embryonen in einem eigens dafür entwickelten Gerät auf und kultivierten sie vier Tage lang.

Maus-Embryonen in der Schwerelosigkeit der ISS untersucht

Länger als vier Tage war das nicht möglich, weil sie nur so lange außerhalb einer Gebärmutter überleben können, erklärt Studienleiter Teruhiko Wakayama (Universiät Yamanashi in Japan) gegenüber dem New Scientist. Anschließend wurden die Maus-Embryonen chemisch konserviert und zurück zur Erde geschickt, wo Wakayama und sein Team sie untersuchten. Insgesamt gab es mehrere Gruppen von Embryonen: Eine wurde als Kontroll-Gruppe auf der Erde kultiviert, eine weitere Gruppe bei simulierter Erd-Schwerkraft auf der ISS. Die restlichen Mäuse waren der Schwerelosigkeit des Weltalls ausgesetzt.

Das Hauptaugenmerk der Forschungsgruppe lag auf der Schwerelosigkeit und der Strahlung im Weltall: Würden sie Auswirkungen auf die Embryonen haben? Tatsächlich zeigten die Embryonen keine Anzeichen einer DNA-Schädigung durch die Strahlung im Weltall – möglicherweise, weil sie sich nicht lange dort aufhielten. Allerdings war die Überlebensrate bei allen Mäuse-Embryonen, die sich an Bord der Raumstation befanden, niedriger als bei den Embryonen auf der Erde, wie ScienceAlert berichtet.

Schwerelosigkeit im Weltall: Wie wirkt es sich auf Embryonen aus?

Eine besonders wichtige Erkenntnis des Forschungsteams: Die Maus-Embryonen zeigten eine normale strukturelle Entwicklung und differenzierten sich in zwei Zellgruppen, die die Grundlage für den Fötus und die Plazenta bilden. Bisher ging die Forschung davon aus, dass die Schwerelosigkeit die Fähigkeit der Embryonen, diese beiden unterschiedlichen Zelltypen zu entwickeln, beeinträchtigen könnte.

„Vielleicht ist die Fortpflanzung im Weltraum bei Säugetieren möglich“, sagt Wakayama nach der Studie. Ob spätere Stadien der Embryonen-Entwicklung im Weltall ebenfalls ohne Schäden durchlaufen werden würden, wurde jedoch bisher noch nicht untersucht. Und auch, ob sich aus den Maus-Embryonen von der ISS tatsächlich gesunde Mäuse entwickeln würden, weiß man noch nicht.

Das Team um Wakayama will weiter forschen: Es soll herausgefunden werden, ob Maus-Embryonen, die auf der ISS waren, in weibliche Mäuse implantiert werden können und zu gesundem Nachwuchs führen. Außerdem will Wakayama testen, ob Mäusesperma und Mäuseeier auf der ISS genutzt werden können, um im Weltraum Embryonen per In-Vitro-Fertilisation entstehen zu lassen.

Weltraumtourismus: Fortpflanzung im Weltall könnte bald ein Thema werden

Das Thema Fortpflanzung im Weltall treibt die Forschung bereits seit einiger Zeit um, schließlich drängt der Mensch seit einigen Jahren ins Weltall. Weltraumtourismus ist für betuchte Personen mittlerweile möglich und auch das Leben und Arbeiten auf dem Mond oder Mars soll eines Tages Realität werden. Weltraum-Hotels sind bereits in Planung. Da ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann das erste Kind im Weltall gezeugt wird oder dort sogar auf die Welt kommt – eine Reise zum Planeten Mars dauert schließlich etwa sechs Monate.

„In Anbetracht der Tatsache, dass die Raumfahrt nicht mehr nur professionellen Astronauten vorbehalten ist, der verschiedenen Motivationen von Weltraumtouristen und der bevorstehenden Entwicklung von Raumfahrzeugen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Sex im Weltraum wahrscheinlich innerhalb der nächsten zehn Jahre stattfinden wird“, schreibt David Cullen (Cranfield University) in einem Beitrag auf dem Portal The Conversation.

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Schwerelosigkeit hat negative Auswirkungen auf den menschlichen Körper

Der Fachmann betont: „Aus Jahrzehnten der menschlichen Raumfahrt wissen wir, dass die Schwerelosigkeit und erhöhte Strahlungslevel einen großen Einfluss auf unsere Körper hat. Wir wissen nicht, wie das die physiologischen Prozesse der Fortpflanzung beeinflusst.“ Tatsächlich ist bekannt, dass Astronauten in der Schwerelosigkeit an Muskelmasse verlieren und unter Knochenschwund leiden. Auch die Verteilung der Körperflüssigkeiten ist in der Schwerelosigkeit verändert – das kann unter anderem die Hirnstruktur verändern.

„Es gibt ein unbekanntes Potenzial für Entwicklungsanomalien bei menschlichen Embryonen, die im Weltraum gezeugt wurden“, warnt Cullen. Außerdem könne in der Schwerelosigkeit ein erhöhtes Risiko einer Eileiterschwangerschaft bestehen. Und auch ob Verhütungsmethoden im Weltall funktionieren wie auf der Erde, sei unklar, so der Forscher. „Es gibt keine Studien, wie Verhütungsmittel von den Weltraumbedingungen beeinflusst werden.“ (tab)

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