Auf Social Media verbreitet sich das Gerücht, Pädophile würden auf Etsy Kinder zum Verkauf anbieten. Verschwörungsmythos oder echte Bedrohung?

„Wenn du das Wort ‚Pizza‘ hörst, dann kannst du dir sicher sein, dass sie auf der Suche nach einem Mädchen sind“, sagt eine TikTok-Nutzerin. Sie liefert angebliche Details zu einem Gerücht, das sich seit Ende 2023 international verbreitet: Kinderhandel auf Etsy, einem Online-Marktplatz für handgemachte Produkte mit Unternehmenssitz in New York.

Im Januar 2024 ist der Verdacht auch in der deutschen Social-Media-Blase angekommen. Allein die Videos einer jungen Frau aus München sammelten auf TikTok über drei Millionen Aufrufe. In ihnen zeigt sie Produkte, die deutlich über ihrem Warenwert angeboten werden. Etwa ein Krümel oder das abstrakte Bild eines Mädchens für mehrere Zehntausend Dollar (siehe unten).

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Kinderhandel auf Etsy: Unternehmen äußert sich

Für Social-Media-Nutzer sind solche Anzeigen ein klarer Hinweis auf Pädokriminelle, die über die Inserate mit potenziellen Käufern kommunizieren und Kinder handeln würden. Aus der Szene bekannte Codewörter wie „Hotdog“, „Pizza“ oder „Pasta“ in der Annonce sollen dabei Aufschluss über Alter und Geschlecht eines Kindes geben. Die Abwicklung selbst erfolgt angeblich mit Kryptowährung.

Etsy bezeichnet das Gerücht auf BuzzFeed-Anfrage als Verschwörungstheorie. Man nehme Kinderschutz sehr ernst und befürchte, dass solche Videos auf Social Media für die Fahndung nach echten Kinderhändlern und Pädophilen schädlich sein könnten, schreibt das Unternehmen.

Kinderhandel auf Etsy: Bundeskriminalamt bezieht Stellung

Das Bundeskriminalamt (BKA) teilt BuzzFeed News Deutschland mit, es lägen keine Erkenntnisse über pädokriminellen Aktivitäten bei Onlinehandelsplattformen wie Etsy vor. Auch Kryptowährungen spielten in dieser Szene „nur eine untergeordnete Rolle“. Täter sind laut einer neuen Studie vor allem auf Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram, TikTok, Telegram und WhatsApp unterwegs.

Damit Bürgerinnen und Bürger Verdachtsfälle melden können, betreibt das BKA seit 2014 gemeinsam mit ECPAT eine Meldeplattform. Hier seien bislang keine Hinweise auf verdächtige Aktivitäten bei Etsy eingegangen, teilt die Meldestelle BuzzFeed News Deutschland mit.

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Warum das Thema Kindermissbrauch bei Verschwörungstheoretikern so beliebt ist

Die Etsy-Verschwörung erinnere sehr an die Erzählung von Kinderhandel beim Möbel-Online-Shop Wayfair oder das mehrfach widerlegte Pizza-Gate, das Elon Musk vor wenigen Monaten neu befeuerte, sagt die Verschwörungsexpertin und Autorin Katharina Nocun zu BuzzFeed News Deutschland. „Vieles ist ein Remix alter Geschichten, angereichert mit neuen Ideen.“

Aber warum verbreiten sich immer wieder Verschwörungen dieser Art? „Weil Themen wie Kindermissbrauch und Kinderhandel hochemotional sind“, ergänzt der Religions- und Politikwissenschaftler Michael Blume. Die Erzählungen von den „unschuldigen Guten“ und den „bösen Anti-Kinder-Verschwörern“ seien so alt wie der Buchdruck. Damals waren es Juden, die als satanische Kindsmörder dargestellt wurden. „Auch Roma und Sinti wurden immer wieder des Kinderhandels verdächtigt und nicht selten gewaltsam verfolgt“, so Blume

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Nach BuzzFeed-Anfrage: TikTok löscht Account

Mit der Digitalisierung entstanden dann neue Verschwörungssekten wie die US-amerikanische QAnon-Bewegung, die Juden, Medienschaffenden und Demokraten weltweit Kindesmissbrauch vorwarf, um Donald Trump zu stärken.  Ihre Erzählungen übernehme die deutschsprachige Querdenken-Szene leider immer wieder. „Leichtgläubige Menschen sollen gerade auch über TikTok und Instagram angesprochen und radikalisiert werden, was bedauerlicherweise viel zu oft gelingt“, sagt Blume BuzzFeed News Deutschland.

Was unternehmen Meta (Facebook und Instagram) und TikTok gegen Verschwörungstheorien? Meta hat bisher nicht auf eine BuzzFeed-Anfrage reagiert. TikTok teilt mit, die Videos zu Kinderhandel auf Etsy verstießen gegen die TikTok-Community-Richtlinien. Man habe einen besonders problematischen Account und die entsprechenden Suchanfragen „wegen gefährlicher Falschinformationen und gefährlicher Verschwörungstheorien“ von der Plattform entfernt.

Trotzdem sind auf der App weiterhin Etsy-Verschwörungsvideos zu finden. Blume rät allen, die auf TikTok oder auf einer anderen Social-Media-App Verschwörungsvorwürfe über Kinderhandel und Missbrauch sehen, sie sofort der Polizei oder auf der entsprechenden Meldeplattform „Nicht Wegsehen“ zu melden. Andere Inhalte, die gegen die Community-Richtlinien verstoßen, zum Beispiel, weil sie Hass auf eine bestimmte Gruppe schüren, seien bei der Meldestelle „Respect“ gut aufgehoben.

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