„So ein Rattenschwanz“

„Eltern wollen wegen jedem Scheiß ein Gespräch“: Grundschullehrerin absolut erschöpft

  • Jana Stäbener
    VonJana Stäbener
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Vor allem Lehrkräfte an Grundschulen sind oft emotional erschöpft. Woran liegt das? Eine junge Lehrerin erzählt BuzzFeed News Deutschland, was sie stresst.

Mehr als ein Drittel (36 Prozent) aller Lehrkräfte in Deutschland fühlt sich mehrmals in der Woche erschöpft, jeder zehnte sogar täglich. Vor allem jüngere Lehrkräfte, Frauen sowie Lehrkräfte an Grundschulen weisen eine hohe emotionale Erschöpfung auf. Dies zeigt das Schulbarometer 2024 der Robert Bosch Stiftung, eine repräsentative Umfrage, die Ende April erschien.

Als Risikofaktoren für Erschöpfung gelten demnach Gewalt unter den Schülerinnen und Schülern und eine hohe Anzahl von Schülern mit geringen Sprachkenntnissen. Schutzfaktoren seien eine gute Beziehung zu den Kindern und Jugendlichen sowie eine unterstützende Zusammenarbeit mit dem Kollegium. Keinen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden habe laut der Studie die Klassengröße sowie die Anzahl an Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Das Schulbarometer zeigt ebenfalls: Nur 51 Prozent der Lehrkräfte fühlt sich gut auf Digitalisierung vorbereitet

Grundschullehrerin über Erschöpfung: „Wie lange kann ich das eigentlich noch?“

Leila Fischer* ist Grundschullehrerin in Baden-Württemberg. Sie hat momentan ein Kind aus der Ukraine in ihrer Klasse, bei dem sie mehrere Nachmittage mit einer Dolmetscherin die Schwierigkeiten des Kindes im Schulalltag mit den Eltern besprach. „Das ist viel Zeit, die dann für die Förderung der anderen Kinder fehlt“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA.

„Jetzt bin ich jung, bin neu im Job: Jetzt investiere ich die Zeit natürlich trotzdem“, sagt Fischer. Sie wolle den anderen Kindern ja nicht schaden, wolle auch diese ausreichend fördern. „Das belastet mich emotional ziemlich. Ich bin schon jetzt an einem Punkt, wo ich mir denke: Wie lange kann ich das eigentlich noch? Und wofür eigentlich?“

Hinzukomme, dass es keinen Ersatz gebe, wenn Lehrkräfte ausfallen. „Weil es eben nicht genug Lehrkräfte gibt“, sagt Fischer. Erst letztens habe sie eine Kollegin einige Wochen lang wegen Krankheit vertreten. Arbeitsblätter der Klasse korrigieren, im Klassenzimmer für Ordnung sorgen und sich ausreichend auf die Unterrichtsvertretung vorbereiten: „Das müsste ich nicht machen, aber ich möchte dann trotzdem das Beste für das Kind“, sagt sie.

Erschöpfung im Lehrerberuf trifft vor allem Grundschullehrkräfte. (Symboldbild)

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Erschöpfung im Job: Lehrermangel ist nicht das einzige Problem

Doch der Lehrermangel sei nicht das einzige Problem. Auch die Bürokratie und Anforderungen, die an Lehrkräfte gestellte werden, stressen Fischer. Erst vor kurzem habe sie einen Antrag auf einen Schulwechsel für ein Kind ausgefüllt. „Der geht jetzt dreimal hin und her. Das ist so ein Rattenschwanz – Deutschland halt.“

Sie habe das Gefühl, dass immer mehr Vorgaben für Lehrkräften dazukommen. Seit diesem Schuljahr sei zum Beispiel eine Leseförderung vorgesehen. „Prinzipiell erst einmal gut. Aber es wird immer nur mehr, nie fällt etwas weg“, klagt Fischer bei BuzzFeed News Deutschland. „Wann sollen wir denn normalen Unterricht machen?“ Darüber herrsche bei ihnen auch im Kollegium viel Unzufriedenheit.

Dies ist ein Artikel von BuzzFeed News Deutschland. Wir sind ein Teil des IPPEN.MEDIA-Netzwerkes. Hier gibt es alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschland.

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Grundschullehrerin: „Manche Eltern wollen wegen jedem Scheiß ein Gespräch“

Wie beeinflussen die Schüler und Schülerinnen das Stresslevel der jungen Lehrerin? „Die Schülerschaft wird immer heterogener“, sagt Fischer. Es gebe einerseits die Familien mit den Helikoptereltern: „Manche Eltern wollen wegen jedem Scheiß ein Gespräch“, erzählt sie. Zum Beispiel, weil sich ihre Tochter mit der besten Freundin gestritten habe. Eine Familie habe da sogar einen Klassenwechsel erwogen. Dann sitze sie mit den Eltern eine halbe Stunde da, um so eine Lappalie zu klären.

Andererseits gebe es die Familien, in denen Kinder gar nicht unterstützt würden. „Ich habe ganz schön Druck, dass diese Schüler in der Schule vorankommen, weil ich mich nicht auf das Elternhaus verlassen kann.“ Ein Schulleiter aus Bayern plädiert bei BuzzFeed News Deutschland deswegen für Ganztagesschulen. Er glaubt, dass dies nicht nur dem Stresslevel der Lehrkräfte entgegenwirken kann, sondern auch Bildungsgerechtigkeit entsteht.

*Wir haben den Namen von Leila Fischer aus Gründen der Anonymität geändert. Ihr echter Name ist der Redaktion bekannt.

Rubriklistenbild: © YAY Images/IMAGO

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