„Als wollten sie mich in den Wahnsinn treiben“
Fake-Account von Hamas-Geisel Shani Louk: Cousine bekommt üble Nachrichten im Internet
VonMarcus Giebelschließen
Moritz Bletzingerschließen
Der Tod von Shani Louk ist traurige Gewissheit. Zuvor bekam ihre Familie üble Nachrichten geschickt. Teils wurde sogar Geld verlangt für falsche Informationen.
Update vom 30. Oktober: Seit einem Angriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf ein Musikfestival wurde eine junge Deutsche vermisst. Nun gaben die Familie und das israelische Außenministerium den Tod von Shani Louk bekannt.
Von der Hamas entführt: Cousine wollte mit Shani Louk zusammenziehen
Erstmeldung vom 20. Oktober: Tel Aviv – Der Verbleib und Zustand von Shani Louk sind ungewiss und bereiten ihrer Familie große Sorgen, seit die 22-Jährige vor etwa zwei Wochen während des Angriffs der Hamas auf Israel von deren Kämpfern in den Gazastreifen entführt wurde.
Die junge Frau nahm an dem durch den Terroranschlag weltweit berühmten Supernova-Festival in der Negev-Wüste teil. Auf dem Festivalgelände wurde sie von der radikalislamischen Hamas gefangen genommen. Etwa 200 weitere Menschen im ganzen Land, darunter einige Deutsche, erlitten dasselbe Schicksal. Der Tag markierte den Beginn des Israel-Kriegs.
Die Ungewissheit über ihr Schicksal ist für die Familienmitglieder unerträglich. Louks Onkel Markus Waidmann, der in Ravensburg lebt, hat sich bereits aus Deutschland an die Öffentlichkeit gewandt, ebenso ihre Mutter Ricarda Louk aus Israel. Nun äußert sich ihre Cousine Tom Weintraub Louk, eine Filmemacherin und Fotografin aus Tel Aviv, im Stern (Artikel hinter einer Paywall). Sie tritt ebenfalls auf Pressekonferenzen auf und fordert dringend Hilfe.
Die 30-Jährige hat eine besonders enge Beziehung zu dem Entführungsopfer: „Eigentlich wollten wir bald zusammenziehen. Sie kam mit vielem zu mir, sie wusste, ich urteile über nichts und hat mir deswegen alles erzählt.“
Cousine von Shani Louk spricht auf Instagram: „Ein Teil meines Herzens wurde nach Gaza entführt“
Auch auf Instagram teilt sie ihre Gefühle. „Ein Teil meines Herzens wurde nach Gaza entführt. Ich habe keine Worte, um den Schmerz zu beschreiben“, ist dort zu lesen. Zusammen mit dem Aufruf, ein kleines weißes Herz auszuschneiden, es anzustecken und ein Foto davon zu machen: „Damit wir, die Familien der Entführten, uns nicht allein fühlen.“
In einem anderen Post fordert Weintraub Louk die israelische Armee auf, mit den Familien der Entführten zu sprechen und Verhandlungen über deren Freilassung zu beginnen. Unter ihren Beiträgen sammeln sich Beileidsbekundungen und Worte der Ermutigung. Viele Menschen zeigen Mitgefühl, wünschen Kraft und Ausdauer.
Fake-Twitter-Account verbreitet Nachrichten über Tod von Hamas-Geisel Shani Louk
Doch selbst in den dunkelsten Stunden gibt es offenbar Menschen, die nichts Besseres zu tun haben, als mit den Gefühlen anderer zu spielen. Weintraub Louk berichtet im Stern, dass sie über Social Media von Personen kontaktiert wird, die Fake News verbreiten: „Als wollten sie uns in den Wahnsinn treiben.“
Gefälschte Accounts ihrer Cousine werden erstellt, zum Beispiel auf Twitter. „Einer hat fälschlicherweise im Namen der Familie geschrieben: ‚Mit tiefem Bedauern informieren wir Sie über die Bestätigung von Shani Louks Ableben. Wir danken all jenen, die die Fotos und Videos geteilt haben, die ihr strahlendes Lächeln festhalten. – die Louk-Familie.‘“
Cousine bekommt Fake-Nachrichten über angeblichen Aufenthaltsort von Shani Louk
Darüber hinaus erhält sie Nachrichten über den angeblichen Aufenthaltsort ihrer Cousine. Einmal wurde sogar Geld für entsprechende Informationen gefordert: „Als ich ihm aber kein Geld überwiesen habe und misstrauisch wurde, schrieb er nur: ‚Shani ist sowieso tot. Schon von Anfang an.‘“
Die englische Boulevardzeitung Sun hatte zuvor berichtet, dass vom Handy von Louks ebenfalls entführtem Freund, einem Mexikaner, hasserfüllte Nachrichten in arabischer Sprache per SMS verschickt wurden – vermutlich von seinen Entführern.
Mitgefühl mit Familie von Shani Louk: Postive Reaktionen überwiegen
Trotz allem überwiegen laut Weintraub Louk die positiven Reaktionen. Unabhängig von all diesen Erfahrungen in den sozialen Medien sagt sie über sich: „Meine Stimmung schwankt ständig von großer Hoffnung, zu tiefster Verzweiflung und Depression.“
Sie erhält auch „immer weiter schreckliche Nachrichten“: „Wir haben ein Video gesehen, das Shani mit einer schweren Kopfverletzung zeigt und wir wissen, dass sie keine medizinische Hilfe bekommt. Das Rote Kreuz hat, meines Wissens, keinen Zugang zu irgendeiner entführten Person bekommen.“
Schon zuvor war Weintraub Louk überzeugt, dass ihre Cousine, die als Tattoo-Künstlerin arbeitet, in den Gazastreifen entführt wurde. Auf einem kurz nach dem Überfall verbreiteten Video hat sie sie zweifellos erkannt, „mit ihren langen Dreadlocks und den Tattoos. In dem Moment habe ich eine Panikattacke bekommen.“ Sie konnte es nicht ertragen, das Video vollständig anzusehen.
„Habe jedem deutschen Minister geschrieben“: Cousine kämpft um Shani Louk
Sie hofft vor allem auf Deutschland, wo ein Teil der Familie lebt. „Ich habe jedem einzelnen deutschen Minister geschrieben, um Hilfe zu holen“, betont Weintraub Louk: „Deutschlands Stärke ist es, zu verhandeln.“ Dies muss „noch heute“ geschehen: „Deutschland muss auch Druck auf die USA ausüben, damit sie ihre Verbindungen nutzen.“
Sie wendet sich auch an die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Jerusalem. Auch, weil diese auf Gewalt mit Gewalt reagiert. „Jetzt bombardiert Israel Gaza. Das könnte auch die Entführten treffen“, bangt die Künstlerin: „Wir Familien wollen eine Antwort auf die eine Frage: Habt ihr die Geiseln aufgegeben? Versucht ihr noch, sie zu retten? Oder müssen wir uns darüber gar keine Illusionen mehr machen? Wenn ihr die Geiseln aufgegeben habt, steht dazu und sagt es uns wenigstens.“
Für diesen von der Redaktion geschriebenen Artikel wurde maschinelle Unterstützung genutzt. Der Artikel wurde vor Veröffentlichung von Redakteur Moritz Bletzinger sorgfältig überprüft.
Rubriklistenbild: © Screenshots Instagram/@bring.shani.back und @tomweintraublouk


